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«Pädagogische» Fragen töten die Selbständigkeit und Kreativität

Aktualisiert: 10. Feb. 2020

Mit «pädagogischen» Fragen sind Lehrerfragen gemeint, deren Antworten die Lehrpersonen bereits wissen und für SchülerInnen zu einem Ratespiel nach der einzig richtigen Lösung werden. SchülerInnen sollen «aktiviert» werden - jedoch geschieht genau das Gegenteil.

«Welches ist der dritte Tage der Woche? Mittwoch, sehr gut, Susi.» «Welche Seite im rechtwinkligen Dreieck heisst Hypotenuse? Richtig, Marc, die längste Seite heisst so.»


Solche Fragen und tausende ähnliche nenne ich «pädagogische Fragen», weil ihnen eine pädagogische Absicht zugrunde liegt: Die Schülerinnen und Schüler sollen aktiviert werden. Sie sollen mitdenken und sich am Unterricht beteiligen. Die soweit gute Absicht der Lehrpersonen bewirkt jedoch das Gegenteil:

Lernende werden durch pädagogischen Fragen nicht angeregt sich eigene Gedanken zu machen, sondern angespornt, die einzig richtige Antwort zu geben, welche die Lehrperson bereits weiss und erwartet.

#Lernen verkommt so zu einem Ratespiel, bringt Schülerinnen und Schüler weg, sich eigene Gedanken zu machen, in Möglichkeiten zu denken und kreative Sichtweisen und Lösungen zu suchen. Die Angst eine Antwort könnte falsch sein, macht ängstliche und unsicher Lernende eher passiv, denn ihre Antwort könnte ja falsch sein. Die Abhängigen finden im Ausdruck der einzig richtigen Antwort zwar Bestätigung, dass sie gut sind, verbinden das Gefühl gut zu sein aber damit, fremde Erwartungen zu erfüllen und nicht selbstwirksam und kreativ zu sein. Selbstsichere und wissende Schülerinnen und Schüler langweilen sich durch die Abfragerei jedoch nur und sind unterfordert.


Weshalb hört man trotzdem jeden Tag dutzende Male an tausenden Schulen solche «pädagogischen Fragen»?

Wohl aus Gewohnheit und Unwissenheit. Damals als die Lehrpersonen selber noch SchülerInnen waren, hatten sie diese Abfragerei über sich ergehen lassen und waren als gute Schülerinnen und Schüler bestimmt recht erfolgreich und erhielten mit ihren richtigen Antworten haufenweise Bestätigung. Lehrerzentrierte #Unterrichtsgestaltung im Frontalunterichtsmodus hatte früher den Zweck der reinen #Wissensvermittlung und das korrekte Antworten auf Fragestellungen dienten der Selektion. Heute ist die reine Wissensvermittlung jedoch längst nicht mehr ein ausreichendes Bildungsziel. Die #4K_Kompetenzen der #21CenturySkills (Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und Kritisches Denken) beispielsweise entwicklen sich nicht durch das Erraten von vorgefertigten Fragen auf die es nur eine einzige richtige Antwort gibt. Sollen Kinder und Jugendliche in Schulen von heute auf die #Zukunft von morgen vorbereitet werden, muss diese Abfragerei von statischem Wissen aufhören.

Fragen sind dann wertvoll, wenn sie authentisch sind und zum Nachdenken anregen, auf wirklichem Interesse basieren, die Lösung nicht eh schon klar ist und es womöglich viel mehr als nur eine Lösung gibt.

Und noch besser wird Schule, wenn es ihr gelingt statt Antworten abzuverlangen, ihren SchülerInnen die Welt zu erschliessen, so dass sie eigene Fragen entdecken, die sie wirklich interessieren und denen sie dann Lust haben nachzugehen und eigene Antworten zu finden.


Kurz vor Schluss noch zwei Fragen an alle Lehrpersonen:

  • Lehrerinnen und Lehrer arbeiten unter Anderem an einer Schule, weil sie in vielen Bereichen über mehr Wissen verfügen als ihre Schüler. Die Schüler hingegen sind in der Schule, um mehr lernen zu können. Nun meine Frage: Was ist los, wenn in einer Stunde diejenige Person, die am meisten Fragen stellt die Lehrperson ist und nicht die Schüler? Richtig wäre es doch umgekehrt. Ein Indikator für gute Lehrerarbeit könnte darum sein, dass die Schülerinnen und Schülern mehr Fragen als die Lehrperson stellen. Das wäre sogar messbar.

  • Wie fühlt es sich an andauernd «pädagogische Fragen» zu stellen, deren Antwort man ja längst kennt? Und wie spannend und erfüllend ist es wirklich seine eigenen Schülerinnen und Schüler aufzufordern einem diese erwartete Antwort zu geben und sie dann dafür zu loben? Will man sich das Tag für Tag, Woche für Woche, Schuljahr für Schuljahr wirklich antun - und seinen Schülerinnen und Schülern auch? Wie viel spannender wäre es doch seinen Kindern und Jugendlichen von etwas zu erzählen, wovon man selber begeistert ist, das man selber interessant findet oder Fragen in die Runde zu geben, auf die man selber noch keine Antwort hat? Wenn es einem gelingt, seine Schülerinnen und Schüler mit der eigenen Lebendigkeit und Neugierde zu berühren und anzustecken, dann ist nicht nur für seine Lernenden mehr getan, sondern auch für die eigene Zufriedenheit in seiner oder ihrer Arbeit als Lehrperson.

Und ganz zum Schluss noch zwei Tipps:

  • Manchmal ist es auch in Ordnung seinen SchülerInnen ganz einfach etwas zu erzählen, was man weiss und gänzlich auf diese Abfragerei zu verzichten. Nicht alles muss kompliziert und pädagogisch ausgeklügelt verpackt sein.

  • Will man wirklich einmal überprüfen, was die eigenen Schüler wissen, kann man sie ja auch dazu auffordern etwas vorzubereiten, das sie den anderen Schülern erzählen oder zeigen können. Auch das ist ein Weg sich selber und seinen Schülerinnen und Schülern vor der «pädagogischen Fragerei» zu bewahren.


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