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Lernateliers: Was will der Modetrend auf der Sek I - Stufe und erreicht er seine Ziele?

An den einen Schulen heissen sie Lernatelier, an anderen Lernzentrum oder Lernbüro. Die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler soll gefördert und das selbstorganisierte Lernen entwickelt, Lernprozesse entsprechend der Individualität ermöglicht und den Lernenden Wahlfreiheit zugestanden werden. Was sind Bedingungen, damit das gelingt, wann scheitern diese Bemühungen?

Im vergangenen Jahrzehnt wurden vor allem auf der Sek I - Stufe immer mehr sogenannte #Lernateliers eingerichtet. Sie gleichen Grossraumbüros mit Einzelarbeitsplätzen. Schülerinnen und Schüler arbeiten dort an individuellen Lernzielen, teilen sich Wochenplanziele selbstständig ein, können nach eigenen Bedürfnissen zwischen Lerninhalten wechseln und so in ihrem eigenen Tempo und nach ihren Vorlieben arbeiten.


Die Aufgabe der Lehrpersonen ist die eines #Lerncoaches, welcher die SchülerInnen bei Fragen unterstützt und für ausreichend Ruhe im Raum sorgt. Weiter sorgen sie für die Aufbereitung der Lerninhalte und die Planung der Wochenziele. Webbasierte Datenbanktools und Dateiserver helfen die Übersicht über die Lernfortschritte zu behalten und Lernmaterialien bereitzustellen.


Wie kam es zu diesem Trend, zum Wechsel des Unterrichtssettings auf der Sek I?

Die durch die #Industrialisierung und #Digitalisierung veränderte Gesellschaft und Berufswelt erfordert immer weniger funktionalisierte Arbeitnehmer und damit zunehmend zur Selbstorganisation und Eigenverantwortung fähige Gesellschaftsmitglieder und Berufsleute. Diese Fähigkeiten sollen bereits in der Schule gelernt werden.

Schulen versuchen derzeit den Spagat zu meistern, diesen Herausforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig ein Unterrichtssystem aufrecht zu erhalten, das aus dem 19. Jahrhundert stammt. Dieses beabsichtigt, alle jahrgangsgleichen Schülerinnen und Schüler mit denselben Lerninhalten und Lernzielen zu beschulen, ihre Leistungen zu vergleichen und entsprechend zu selektionieren. Dieser Spagat erzeugt zwei Problemstellungen:

  • Eigenverantwortung bedeutet für «das Eigene» Verantwortung zu übernehmen. Das ist aber nicht vereinbar damit, dass Lernzielvorgaben fremdbestimmt sind.

  • Damit Lernende aus intrinsischer Motivation selbstorganisiert und eigenverantwortlich handeln können, müssen Lerninhalte ihrem Vorwissen und ihrer Reifeentwicklung entsprechend ausgewählt werden. Andernfalls sinkt die intrinsische Motivation und disziplinarische Massnahmen, Druck, Noten und Zeugnisse treten als «Lernmotivator» an ihre Stelle. Selbstorganisation wird dadurch aber durch Fremdorganisation ersetzt. Genau dies passiert, wenn die individuellen Entwicklungsunterschiede von bis zu sechs Jahren auf der Sek I-Stufe nicht berücksichtigt werden und alle jahrgangsgleichen Lernenden dieselben Lerninhalte bearbeiten sollen.

An den meisten Schulen, die Lernateliers einführen, arbeiten Lehrpersonen mit sehr viel Engagement, Idealismus und der Absicht ihren Schülerinnen und Schülern individuelles Lernen zu ermöglichen, ihnen Gestaltungsraum zu geben und #Eigenverantwortung zu übergeben. Sind die aufwändigen Vorbereitungen für das Einrichten eines Lernateliers einmal abgeschlossen, alles vorbereitet und eingerichtet, fühlen die Schülerinnen und Schüler wie gut gemeint die Bemühungen der Lehrpersonen für sie sind. Wenn sie dann im «Grossraumbüro» an ihrem individuellen Arbeitsplatz sitzen und zwischen Aufgaben wählen sollen, die sie über- oder unterfordern, sie wenig oder gar nicht interessieren und sie diese dann auch noch selbstständig und eigenverantwortlich abarbeiten sollen, fühlt sich all das Gutgemeinte für viele Lernenden irgendwie gar nicht so wirklich gut an. Wenn sich dann die Aufgabe der Lehrpersonen auch noch dahingehend verlagert, mehr für Ruhe und Ordnung sorgen zu müssen, anstatt als Lerncoach Lernende zu unterstützen, ist der Frust bei Schülerinnen und Schülern und bei Lehrpersonen nicht mehr weit.


Was sind also Gelingensbedingungen für Lernateliers, in denen eigenverantwortliche Lernende und zufriedene Lehrpersonen wirksame Lernprozesse realisieren?

  • Lerninhalte müssen entsprechend der #Reifeentwicklung der Lernenden und auf deren Vorwissen angepasst sein, damit Schülerinen und Schüler intrinsisch motiviert arbeiten können (durch den Lerninhalt, nicht durch die Aussicht auf gute #Noten!) - und das über den vom Lehrplan vorgegebenen Jahrgangsstoff hinaus.

  • Sollen Schülerinnen und Schüler eigenverantwortlich und selbstorganisiert lernen, müssen Lernprozesse zum «Eigenen» der Lernenden werden, für das sie bereit sind Verantwortung zu übernehmen. Eigenverantwortung kann also weder verorndet noch erzwungen werden, sondern nur freiwillig übernommen werden. Damit dies geschehen kann, braucht es eine dialogische #Beziehungskultur zwischen Lernenden und seinen Begleitern.

  • Die Entwicklung von Selbstorganisation und Eigenverantwortung als Solches, sollte in der Priorisierung höher, jedoch mindestens gleichwertig zu den vorgegebenen Lernzielen sein. Eigene Ideen von Lernenden sollten darum in einem Lernatelier ihren Raum erhalten können. Denn bei diesen ist die intrinsicher #Motivation, resp. der Bereitschaft sich eigenverantwortlich einer Herausforderung hinzugeben am höchsten.

  • Selbstorganisation will begleitet sein und bedeutet nicht, dass Lernende alles alleine tun müssen, was von ihnen erwartet wird.

  • Individuelle Lernprozesse sind wichtig. Lernateliers vermögen diese durch ihre Organisation zu gewährleisten. Soziales Lernen, sich in einer Gemeinschaft aufgehoben und wertvoll fühlen, so wie zusammen mit Anderen etwas Tolles zustande bringen, ist jedoch nicht minder wertvoll. Bei allem Eifer und allen guten Absicht beim Einrichten eines Lernateliers, sollten diese sozialen Bedürfnisse nicht unbeachtet bleiben.



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